Ein digitaler Zwilling ist die virtuelle Simulation eines Produkts, Prozesses oder Systems. Unternehmen können damit Schwachstellen testen, die Leistung optimieren und Erkenntnisse gewinnen, um fundiertere Entscheidungen zu treffen.
Digitale Zwillinge (Digital Twins, Digital Twin Technology, Digital Twinning) wurden erstmals in den 1960ern während der Entwicklung des Apollo-Raumfahrtprogramms der NASA eingesetzt. Seitdem haben sie geholfen, die Art und Weise zu verändern, wie Unternehmen in verschiedenen Branchen Daten und Analysen verwenden, Systeme und Prozesse optimieren und die Entscheidungsfindung verbessern.
Digitale Zwillinge erstellen basierend auf Echtzeit-Daten ein virtuelles Abbild eines physischen Produkts, Prozesses oder Systems aus einer Vielzahl von Quellen. Dazu zählen etwa intelligente Sensoren, offene Datenquellen, 1D- sowie 2D-/3D-Erfassungsscans, generative KI und IoT-Geräte (Internet of Things, Internet der Dinge). Dank dieser Live-Verbindung zwischen dem Original und dem Zwilling können digitale Zwillinge die Verhaltensweise und Leistung des Objekts oder Systems, das sie replizieren, laufend nachbilden.
Digitale Zwillinge werden kontnuierlich mit Daten aus dem Originalobjekt oder -system aktualisiert. Daher können sie eine virtuelle Überwachungs- oder Test-Sandbox erstellen, die genau, skalierbar und immer auf dem neuesten Stand ist. Auf diese Weise können Unternehmen beliebig viele Tests in der Simulation eines Objekts oder Systems überwachen, analysieren und ausführen, ohne Ressourcen zu beanspruchen oder reale Unterbrechungen zu verursachen.
Mit digitalen Zwillingen können Unternehmen ihre Umgebung laufend auf Schwachstellen bewerten, Cyberattacken basierend auf den aktuellen Bedrohungen simulieren und die Reichweite und Genauigkeit der Funktionen für die Bedrohungserkennung und -reaktion verbessern. So lassen sich Cyberattacken proaktiv prognostizieren und verhindern, bevor sie eintreten.
Digitale und virtuelle Zwillinge im Vergleich
Sowohl digitale Zwillinge als auch virtuelle Zwillinge sind virtuelle Simulationen. Unternehmen können sie dafür verwenden, ihre Produkte oder Systeme zu optimieren, ohne reale Konsequenzen befürchten zu müssen. Digitale und virtuelle Zwillinge unterscheiden sich jedoch in manchen Punkten, da sie unterschiedlichen Zwecken dienen.
Mithilfe virtueller Zwillinge wird eine detaillierte Simulation eines neuen Produkts oder Prozesses erstellt, wenn dieses sich noch in der Entwurfsphase befindet. Auf diese Weise können Unternehmen verschiedene Funktionen oder Merkmale testen, ohne mehrere Prototypen erstellen zu müssen. Demnach agieren virtuelle Zwillinge zu einem konkreten Zeitpunkt in einem geschlossenen Datensystem. Nach der Einführung des echten Produkts oder Systems werden sie in der Regel nicht mehr benötigt.
Digitale Zwillinge sind dagegen „lebende“ Modelle, die Produkte, Prozesse oder Systeme replizieren. Dabei werden kontinuierlich und in Echtzeit dynamische, aktuelle Daten vom Original abgerufen. So lässt sich die Leistung eines Produkts, Prozesses oder Systems in seinem gesamten Lebenszyklus kontinuierlich analysieren und optimieren, während sich die realen Anforderungen oder Bedingungen weiterentwickeln.
Virtuelle Zwillinge replizieren ein Produkt oder System in Gänze. Dagegen simulieren digitale Zwillinge nur die für die Überwachung oder Tests relevanten Komponenten. Auf diese Weise liefern sie eine präzise und effektive Emulation der Infrastruktur. Sie bieten die gleichen Vorteile, aber ohne den Zeit- und Kostenaufwand für die Erstellung eines perfekten virtuellen Klons.
Digitale Zwillinge bieten zahlreiche Leistungen und Vorteile für Unternehmen aller Größen und in vielen unterschiedlichen Branchen. Dazu zählen folgende:
Es gibt mehrere Arten von digitalen Zwillingen, aber drei Hauptarten sind besonders hervorzuheben: digitale Zwillinge von Produkten, von Prozessen und von Systemen.
1. Digitale Zwillinge von Produkten
Ein digitaler Produktzwilling ist das virtuelle Replikat aller physischen Komponenten, Spezifikationen und Merkmale eines einzelnen Produkts. Das können beispielsweise ein Automotor, ein Luftkompressor oder die Flügel an einem Flugzeug sein.
Mithilfe digitaler Produktzwillinge können Organisationen die Gestaltung, Konstruktion und Leistung eines Produkts in jeder Phase seines Lebenszyklus testen – von seinen anfänglichen Gestaltungen bis hin zu seiner Nutzung unter realen Bedingungen. Sie können auch die Entwicklung neuer Produkte erheblich beschleunigen, da mehrere verschiedene Iterationen getestet und analysiert werden können, ohne dass zahlreiche physische Prototypen gebaut werden müssen.
2. Digitale Zwillinge von Prozessen
Ein digitaler Prozesszwilling ist die virtuelle Simulation eines gesamten Prozesses von Anfang bis Ende. Dazu zählen beispielsweise ein Fertigungsprozess, ein Netzwerk für Logistik oder Abläufe und eine Fertigungsstraße in einer Fabrik.
Mithilfe digitaler Prozesszwillinge können Unternehmen überwachen und testen, wie alle unterschiedlichen Komponenten interagieren, selbst in den kompliziertesten Prozessen. Anschließend können sie ermitteln, wie sich ihre Leistung oder Effizienz verbessern lässt.
3. Digitale Zwillinge von Systemen
Digitale Systemzwillinge sind virtuelle Replikate komplexer vernetzter Gesamtsysteme – von Lieferketten und Versorgungsnetzen bis hin zu Infrastruktur- und Verkehrsnetzen, Customer Journeys oder dem Betrieb von Ladengeschäften.
Mit digitalen Systemzwillingen können Unternehmen das Design und die Leistung kompletter End-to-End-Systeme optimieren, einschließlich der einzelnen Komponenten und der Art und Weise, wie die verschiedenen Teile zusammenpassen und zusammenarbeiten.
Technologien, auf denen digitale Zwillinge basieren
Digitale Zwillinge werden möglich durch die nahtlose Integration einer Reihe unterschiedlicher, aber miteinander verbundener fortschrittlicher Technologien. Dazu zählen folgende:
Da digitale Zwillinge so effizient und flexibel sind, deckt die Technologie ein breites Spektrum an Anwendungen in einer Vielzahl von Branchen ab. Einige der bekanntesten finden sich in der Fertigung und im Lieferkettenmanagement, in der Entwicklung von Smart-City-Infrastrukturen und im Gesundheitswesen.
Digitale Zwillinge in der Fertigung und im Lieferkettenmanagement
Durch den Einsatz digitaler Zwillinge können Unternehmen praktisch alles virtuell simulieren – von einzelnen Produkten bis hin zu gesamten Fertigungslinien. Funktionen und Komponenten können getestet werden, ohne dass tatsächlich physische Versionen der jeweiligen Iteration erstellt werden müssen. So lassen sich die Leistung und Effizienz in jedem Aspekt des Fertigungslebenszyklus verbessern – von der Gestaltung und Konstruktion des Produkts bis hin zu den Lieferketten und zum Product Lifecycle Management (PLM).
Mithilfe von digitalen Zwillingen können Organisationen ihre Fertigungsanlagen und Lieferketten aus der Ferne in Echtzeit überwachen. Auf diese Weise können sie Engpässe ermitteln oder Änderungen anhand aktueller Daten austesten.
Digitale Zwillinge in Smart Citys und in der Infrastruktur
Durch die Nutzung digitaler Zwillinge lassen sich komplexe urbane Systeme modellieren, verwalten und verbessern. Dazu zählen etwa urbane Infrastruktur- und Verkehrsnetze, Abwassersysteme, Stromnetze und öffentliche Versorgungsbetriebe.
Mithilfe digitaler Zwillinge können Städteplaner und andere Interessengruppen den Verkehrsfluss, Rettungsdienste, den Energieverbrauch und vieles mehr nachverfolgen und optimieren. Dadurch können sie für intelligentere, sauberere und energieeffiziente Städte sorgen.
Digitale Zwillinge im Gesundheitswesen und in der Patientenüberwachung
Im Gesundheitswesen lassen sich digitale Zwillinge nutzen, um die Entwicklung neuer Medizingeräte und -technologie zu beschleunigen. Der Einsatz digitaler Zwillinge kann eine personalisiertere Medizin ermöglichen und die Überwachung und Behandlung von Patienten durch Gesundheitsdienstleister verbessern.
So können beispielsweise chirurgische Fachkräfte digitale Zwillinge verwenden, um Organe zu modellieren oder komplizierte neue Operationsverfahren zu üben. Ärztliches Fachpersonal kann eine Vielzahl von Simulationen an den digitalen Zwillingen einzelner Patientinnen und Patienten durchführen. Ziel ist es, die Diagnose zu erleichtern oder zu bestimmen, welche Behandlung wahrscheinlich die besten Ergebnisse erzielt.
Krankenhäuser setzen auf Simulationen mit digitalen Zwillingen, um ihre Abläufe zu optimieren, die Ausbreitung von Krankheiten nachzuverfolgen oder Fortschritt einer behandelten Person in Echtzeit zu überwachen. Unternehmen im Gesundheitswesen nutzen digitale Zwillinge, um bessere medizinische Geräte oder Technologien zu entwickeln und neue Innovationen schneller und kostengünstiger auf den Markt zu bringen.
Der Einsatz digitaler Zwillinge (Digital Twinning) spielt inzwischen eine immer wichtigere Rolle bei der Gestaltung, Analyse und Verbesserung der Cybersicherheitsinfrastruktur von Unternehmen.
Cybersicherheitsvorteile digitaler Zwillinge
Eine der nützlichsten Anwendungen für den Einsatz von digitalen Zwillingen in der Cybersicherheit ist die Fähigkeit, die Abwehrmechanismen eines Unternehmens kontinuierlich zu simulieren und zu überprüfen, um potenzielle Schwachstellen zu identifizieren. Wenn diese Art der Simulation mit digitalen Zwillingen in eine Cybersicherheitsplattform integriert wird, können die Simulationsergebnisse dazu verwendet werden, automatische Korrekturen oder gezielte Empfehlungen für Fehlerbehebungen auszulösen.
Digitale Zwillinge können auch in Kombination mit autonomen Read Teams verwendet werden. Dabei überziehen KI-Agenten eine Replikatumgebung mit einer unbegrenzten Anzahl und Vielfalt an simulierten Cyberattacken. (Weitere Informationen zum Red Teaming, einschließlich einer Definition, finden Sie im folgenden Abschnitt „Digitale Zwillinge und Red/Blue/Purple Teams im Vergleich“.)
Diese simulierten Angriffe können die Fähigkeit von Cybersicherheitsteams, Sicherheitsrisiken zu ermitteln, zu bewerten und abzumildern, erheblich verbessern. Dabei haben sie keine direkten Auswirkungen auf reale IT-Umgebungen oder Ressourcen.
Digitale Zwillinge werden stets in Echtzeit aktualisiert. Zudem können simulierte Angriffe die neuesten Bedrohungsdaten einbeziehen, um die neuesten oder gefährlichsten Angriffsvektoren nachzubilden. Sie können auch auf eine bestimmte Branche oder einen bestimmten Sektor angepasst werden, um die größten aufkommenden Bedrohungen nachzuahmen, mit denen diese aktuell konfrontiert sind.
Schließlich können Cybersicherheitsteams mithilfe von digitalen Zwillingen üben, trainieren und verbessern, wie sie auf reale Angriffe und Bedrohungen in einer virtuellen Umgebung reagieren. Dadurch lässt sich die Reaktionsfähigkeit eines Unternehmens auf Vorfälle erheblich verbessern.
Sicherheitsrisiken digitaler Zwillinge
Digitale Zwillinge sind mit den Systemen verbunden, die sie replizieren, und enthalten wichtige Daten über diese Systeme. Daher benötigen sie selbst Cybersicherheitsschutz. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass digitale Zwillinge auf genauen, äußerst zuverlässigen Daten basieren. Zudem muss der Datenschutz für sensible, vertrauliche oder proprietäre Informationen gewährleistet sein. Wichtig ist auch, dass digitale Zwillinge nicht gehackt werden können. Andernfalls könnten Angreifer das Modell manipulieren, um irreführende Ergebnisse zu generieren oder sogar den Betrieb des Originalsystems stören.
Zum Schutz ihrer realen Abläufe und ihrer virtuellen Simulationen müssen Unternehmen überwachen und streng kontrollieren, wer Zugriff auf die Originaldaten und alle digitalen Zwillinge hat. Sie sollten außerdem sicherstellen, dass ihre Cybersicherheitsmaßnahmen so robust und aktuell wie möglich sind, damit cyberkriminelle Akteure nie die Chance haben, Systeme zu beschädigen oder zu infiltrieren.
Digitale Zwillinge und Red/Blue/Purple Teams im Vergleich
Mit Red, Blue und Purple Teams werden Cyberattacken simuliert und die Abwehrmaßnahmen eines Unternehmens verbessert. Red Teams schlüpfen in die Rolle eines Angreifers, um die Schwachstellen zu ermitteln und die Effektivität der Cybersicherheitskontrollen eines Unternehmens zu bewerten. Blue Teams nehmen die gegenteilige Haltung ein und verteidigen sich gegen Cyberangriffe, um die Erkennung und Reaktion auf Bedrohungen zu verbessern. Purple Teams unterstützen Red und Blue Teams bei der effektiven Zusammenarbeit, tauschen Informationen und Erkenntnisse aus und verbessern die Sicherheitsleistung.
Red, Blue und Purple Teams setzen Personen ein, die an einem bestimmten Zeitpunkt spezifische Tests oder Aufgaben ausführen und in einer realen Umgebung arbeiten. Wie bereits erwähnt, ist dies eine leistungsstarke Methode, um Schwachstellen zu identifizieren und die Wirksamkeit zu bewerten. Aber wie bei allem kann es riskant sein, in einer Live-Umgebung zu arbeiten.
An dieser Stelle wird der Vorteil eines digitalen Zwillings noch offenkundiger. Digitale Zwillinge können in einer vollständig virtuellen Umgebung kontinuierlich Millionen von simulierten Angriffen durchführen. Die Umgebung wird dabei ständig aktualisiert, um den sich ändernden Bedingungen in der realen Welt Rechnung zu tragen. Dadurch können Unternehmen ihre Cybersicherheitsmaßnahmen rund um die Uhr testen, um konstant Sicherheitslücken zu ermitteln, neue Bedrohungen zu melden und Defizite ihrer Sicherheitslage zu korrigieren.
Die Zukunft digitaler Zwillinge
Die neuesten Fortschritte mit Blick auf die Rechenleistung und KI-Technologien haben die Geschwindigkeit, Funktionen und Effektivität digitaler Zwillinge tiefgreifend transformiert. Mit der fortschreitenden technologischen Entwicklung könnten mehrere neue Trends und Innovationen die Zukunft des Digital Twinning grundlegend verändern oder sogar revolutionieren.
Dazu zählen die Einführung digitaler Zwillinge durch eine exponentiell wachsende Zahl neuer Unternehmen und Branchen, außerdem die Entstehung von Marktplätzen für den Austausch von Informationen und Daten zu digitalen Zwillingen. Ein weiterer Aspekt ist die Möglichkeit, digitale Zwillinge mit Virtual Reality (VR) oder Augmented Reality (AR) zu verbinden, um noch realistischere Simulationen zu schaffen.
Informieren Sie sich über die Zukunft digitaler Zwillinge und erfahren Sie mehr darüber, wie Trend Micro diese Technologie einsetzt, um Unternehmen dabei zu helfen, eine resilientere, anpassungsfähigere und zukunftsfähige Cybersicherheitsstrategie zu entwickeln.